Mindfulness over Matter

Die Vorweihnachtszeit dürfte eigentlich still sein. Stattdessen ist sie in einer Stadt wie Hamburg oft genau das Gegenteil:

volle U-Bahnen, endlose To-do-Listen, dunkle Nachmittage, die schneller kommen, als wir unsere Termine abgearbeitet haben. Geschenke besorgen, Jahresabschlüsse schaffen, Treffen koordinieren – und irgendwo dazwischen soll dann auch noch Besinnlichkeit stattfinden.

Viele nehmen sich in dieser Zeit vor, zumindest zwischendurch ein wenig zu entspannen. Kurz zur Ruhe kommen. Loslassen.

Und genau hier beginnt oft schon das nächste Missverständnis:
Selbst Entspannung wird zur Aufgabe.
Auch Durchatmen wird zu etwas, das man machen muss.

“Instead of trying to let go, learn to let be.

Joseph Goldstein

Let it be statt let it go

Joseph Goldstein, einer der bedeutendsten Lehrer moderner Achtsamkeitspraxis, beschreibt dieses Dilemma mit einer einfachen Beobachtung. Er schlägt vor, den Satz „let it go“ einmal zu hinterfragen.

Denn let it go bedeutet: Du musst wieder aktiv werden. Du musst etwas loswerden, bearbeiten, verändern.

Goldstein setzt dem einen anderen Gedanken entgegen:

„Let it be.“ – Lass es sein.

Nicht gleichgültig. Nicht resigniert. Sondern bewusst anwesend.

Ich muss Gedanken nicht stoppen. Ich muss Gefühle nicht auflösen. Ich muss innere Unruhe nicht beseitigen.

Ich darf wahrnehmen, was gerade da ist – und es genau so sein lassen.

Diese Haltung nennen wir in der Achtsamkeitspraxis radikale Akzeptanz: dem Moment erlauben, sich so zu zeigen, wie er ist, ohne sofort eingreifen oder optimieren zu wollen.

The present moment is the only moment available to us, and it is the door to all moments.
— Thich Nhat Hanh

Schluss mit Selbstoptimierung in spirituellem Gewand

Was hier so einfach klingt, ist radikal. Denn es widerspricht unserer gesamten Alltagskultur. Wir sind permanent darauf trainiert, an uns zu arbeiten: leistungsfähiger zu sein, gelassener zu wirken, entspannter auszusehen. Selbst Yoga und Meditation rutschen dabei oft unmerklich in dieses Muster:

Ich müsste länger meditieren.
Ich sollte gelassener im Alltag reagieren.
Ich sollte besser loslassen können.

Doch was würde passieren, wenn wir aufhören, uns selbst ständig verbessern zu wollen?
Was, wenn wir beginnen, wirklich zuzuhören – statt dauernd zu optimieren?

Genau hier beginnt Yoga jenseits von Technik und Ästhetik.

Yoga als Beziehungsraum

Yoga ist kein System zur Herstellung des perfekten Zustands. Yoga ist ein Übungsraum für Beziehung:

Beziehung zum Körper.
Beziehung zum Atem.
Beziehung zum Geist.

In jeder Praxis begegnen wir uns selbst – nicht um uns zu verändern, sondern um uns wahrzunehmen:

Wir spüren Spannung, ohne sie sofort beheben zu müssen.
Wir begleiten den Atem, ohne ihn zu kontrollieren.
Wir beobachten Gedanken, ohne ihnen automatisch zu folgen.

So entsteht Abstand – zwischen uns und unseren inneren Antreibern. Zwischen Reiz und Reaktion. Zwischen äußeren Erwartungen und innerer Wirklichkeit.

Aus diesem Abstand wächst Ruhe. Nicht, weil alles perfekt wird, sondern weil wir aufhören, uns innerlich ununterbrochen unter Druck zu setzen.

Präsenz statt Performance

Im Urban-Yoga-Alltag erleben wir genau das täglich: Die meisten Menschen kommen nicht in die Kurse, um leistungsfähiger zu werden. Sie kommen, weil sie für eine Stunde aussteigen möchten aus dem Dauerfunktionieren. Keine Vergleiche. Kein Müssen. Kein Optimieren.

Ein Raum entsteht, in dem das Sein wieder wichtiger wird als das Tun.

Diese Art von Präsenz wirkt weiter, als wir oft denken:
im Berufsleben, in Beziehungen, im Umgang mit Stress, gerade auch in dieser verdichteten Jahreszeit.

Achtsamkeit verändert nichts an den äußeren Umständen – aber sie verändert unseren Umgang damit. Sie beruhigt das Nervensystem, vertieft die Atmung, öffnet innere Spielräume. Nicht als Technik – sondern als Haltung.

Wenn ich loslasse, wer ich meine zu sein, werde ich zu dem, was ich sein kann.
— Laozi
 

30 Tage Raum für Präsenz

Damit diese Haltung nicht Theorie bleibt, sondern erlebt werden kann, haben wir bei Urban Yoga Hamburg die 30-tägige Urban Flow Journey ins Leben gerufen.

30 Tage Yoga als Einladung, regelmäßig Präsenz zu kultivieren – mitten im Alltag, zwischen Arbeit, Familie und Verpflichtungen.

Nicht als Challenge.
Nicht als Leistungsprogramm.
Sondern als Zeitfenster für Let it be:

Bewegen, atmen, still werden – nicht um etwas zu erreichen, sondern um sich immer wieder bewusst einzufinden.

Alle Infos zur Teilnahme:
https://www.urbanyoga-hamburg.com/events/urbanflowjourney

 

Mindfulness over Matter

Mindfulness over Matter bedeutet nicht, auf Geschenke oder Freude zu verzichten.
Es bedeutet, dem Wesentlichen wieder Raum zu geben:

Nicht alles lösen müssen. Nicht alles verändern müssen. Nicht immer funktionieren müssen.

Einfach da sein dürfen.

Let it be.

 

Achtsamkeit vertiefen

Für alle, die die Praxis persönlich oder beruflich vertiefen möchten, startet im März unsere nächste HeartCompass Achtsamkeitsausbildung.

Infos dazu findest du hier:

HeartCompass Mindfulness Training
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