Hridaya – Die Weisheit des Herzens

Der Sommer beginnt nicht am 21. Juni. Er beginnt viel früher – in den Körpern, in der Luft, in der Art, wie wir plötzlich wieder aufrechter gehen. Die Energie hebt sich. Die Stimmung auch. Und manchmal fühlt es sich an, als wäre da ein inneres Feuer, das neu entfacht wird.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist der Sommer die Zeit des Feuerelements. Es steht für das Herz(Xin), für Lebenskraft, Freude und die Fähigkeit, in Verbindung zu treten – mit anderen und mit uns selbst.
In der Yogatradition begegnet uns das Herz als Hridaya – nicht nur als Organ, sondern als Zentrum unseres inneren Wissens. Der Ort, an dem Bewusstsein, Mitgefühl und Intuition zusammenfließen.

Zwei Perspektiven – eine gemeinsame Botschaft:

Wenn das Herz offen ist, kann das Leben frei fließen.
Wenn es überfordert ist, verliert sich der Geist.

“Das Herz ist der Sitz unseres wahren Selbst. Und dort beginnt alles – Verbindung, Heilung, Freude.“

Das Feuer nährt – und verbrennt

Der Sommer bringt das Element Feuer in uns zum Leuchten. Wir fühlen uns offener, kontaktfreudiger, auf Empfang. Das Herz liebt diese Wärme. Es will teilen, lachen, sich verbinden.

Doch das Feuer hat zwei Seiten.
Es wärmt – aber es kann auch verzehren.
Es schenkt Lebendigkeit – aber auch Unruhe.

Wenn das Außen zu laut wird, die Tage zu voll, das Herz zu weit geöffnet – dann kippt die Freude in Erschöpfung. Die Lebendigkeit wird zur Reizüberflutung. Die Offenheit zur Überforderung.

Yin Yoga lädt uns im Sommer dazu ein, nicht nur nach außen zu strahlen, sondern auch nach innen zu hören. Die langen Tage müssen nicht voll sein. Sie dürfen weich sein. Zart. Durchlässig.

Yin Yoga im Sommer – das Herz wieder hören

Wenn alles nach außen strebt, zieht Yin Yoga uns nach innen.
Wenn das Feuer lodert, bringt Yin das Wasser dazu.
Nicht, um zu löschen – sondern um zu balancieren.

Die Meridiane, die im Sommer angesprochen werden, sind Herz- und Dünndarmmeridian, manchmal auch Perikard und Dreifacher Erwärmer.
Auf seelischer Ebene geht es in dieser Zeit besonders um:

  • Vertrauen in das eigene Herz – in Hridaya

  • Authentische Beziehungen und Verbundenheit

  • Grenzen zwischen echter Freude und überdrehter Euphorie

  • Den Mut, sich zu zeigen – aber auch den Mut, bei sich zu bleiben

Was nährt dein Herz wirklich?

In einer Zeit, in der alles möglich scheint – Sonnenuntergang am Elbstrand, laue Nächte, offene Fenster und offene Pläne –, wird die Sehnsucht nach Echtheit oft besonders laut.

Yin Yoga im Sommer kann dann zu einem Ort werden, an dem du wieder bei dir ankommst.
Wo du spürst, ob dein Lächeln von innen kommt – oder einfach nur zur Jahreszeit passt.
Wo du dein Herz befragen kannst – jenseits der Außenwelt.

Hridaya – das Herz als innerer Raum

In der Yogaphilosophie ist Hridaya nicht nur ein Organ, sondern ein Ort der inneren Weisheit.
Es ist das, was uns in die Tiefe führt.
Was uns zeigt, ob wir verbunden sind – mit uns selbst, mit anderen, mit dem Leben.
Ein ruhiger, offener Raum inmitten der Bewegung.

Yin Yoga hilft uns, diesen Raum wieder zu betreten.
Nicht laut. Nicht schnell. Sondern mit Achtsamkeit. Mit Sanftheit. Mit Zeit.

Wenn du in einer Herz öffnenden Haltung verweilst, spürst du vielleicht nicht nur Dehnung, sondern auch Erinnerung:

An das, was dir wichtig ist.
An das, was dich trägt.
An das, was du vielleicht verloren glaubtest.

Ein Moment für dein Herz

Nimm dir einen Moment – ganz bewusst – und frage dich:

Was will mein Herz mir gerade sagen?
Ist da Freude? Oder Müdigkeit?
Verbindung? Oder das Bedürfnis, mich zurückzuziehen?

Und vielleicht ist es Hridaya, das antwortet – mit Stille, mit Klarheit, mit einem einfachen „Jetzt bin ich da.“

Die Weisheit der Langsamkeit

Im Sommer wollen viele schneller leben. Mehr erleben. Weniger schlafen. Mehr aufnehmen.
Aber das Herz – das echte Herz – spricht leise. Es braucht Pausen zwischen den Reizen, Atempunkte im Gespräch, Raum im Tag.

Deshalb ist langsames, achtsames Praktizieren im Sommer kein Gegensatz zur Lebendigkeit – es ist ihr Schutzraum.

Yin Yoga lädt dich ein,

  • mit deinem inneren Feuer achtsam umzugehen

  • dein Herz nicht nur physisch, sondern auch emotional zu entspannen

  • Freude nicht zu jagen, sondern zu kultivieren

  • deine Energie nicht zu streuen, sondern zu bündeln

Das Herz ist der Kaiser des Körpers. Wenn es ruhig ist, gedeiht alles; wenn es gestört ist, verwirrt sich das ganze System.
— aus dem Huangdi Neijing, dem ältesten Klassiker der Chinesischen Medizin)

Ein Sommerritual für dich

Vielleicht magst du dir diesen Monat einen Abend schenken, an dem du ganz bewusst zur Ruhe kommst.
Du brauchst nichts weiter als:

  • eine Matte

  • ein Kissen

  • einen offenen Moment

Lege dich in Supta Baddha Konasana, bring eine Hand auf dein Herz, eine auf den Bauch. Spüre den Rhythmus, der da ist, seit du lebst. Und stell dir eine einfache Frage:

Bin ich gerade wirklich verbunden – mit meinem Herzen, mit Hridaya?

Wenn die Antwort „Ja“ ist: wunderbar.
Wenn sie „Nein“ ist: auch gut. Dann ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, dich selbst wieder einzuladen.

🌿 Reflexionsimpuls

Nimm dir diesen Monat einen Moment der Stille – vielleicht nach deiner Praxis, vielleicht bei offenem Fenster am Abend – und frage dich:

  • Was erzählt mein Herz, wenn ich wirklich zuhöre?

  • Womit bin ich verbunden – und wo wünsche ich mir mehr Nähe?

  • Was ist jetzt genug?

Schreib es auf. Oder nimm es einfach mit in deinen Tag.
Manchmal reicht ein einziger Atemzug, um nach Hause zu kommen – nach Hridaya.

Sommer bei Urban Yoga

In unseren Yin-Stunden im Juni liegt der Fokus auf dem Herzen, auf Weite und auf Sanftheit.
Nicht als Gegensatz zum Leben – sondern als Erinnerung daran, dass auch das Feine dazugehört.

Vielleicht sehen wir uns auf der Matte. In einem Moment der Stille. Mit einem offenen Herzen.
Oder mit der Bereitschaft, es wieder zu öffnen.

Wenn das Herz in Frieden ist, folgt der Geist dem natürlichen Weg.
Und alles in dir kehrt zurück an seinen Platz.
— TCM-Klassiker – frei übertragen

Eine kleine Herz-Sequenz für Zuhause
Fein, still, balancierend – diese Haltungen harmonisieren das Feuerelement und unterstützen den Herz- und Dünndarmmeridian. Du brauchst: eine Matte, ein Kissen, eventuell ein Bolster.

  1. Melting Heart
     • Öffnet den Herzraum sanft nach vorne
     • Unterstützt Vertrauen & Weite im Brustbereich

  2. Sphinx oder Seal
     • Regt das Herz-Qi an, aktiviert die Vorderseite
     • Lass die Schultern weich, den Atem fließend

  3. Supported Fish (gestützter Fisch)
     • Tiefe Herzöffnung auf Bolster oder Kissen
     • Integration & Loslassen, besonders bei innerer Unruhe

  4. Liegende Drehung (Twisted Roots)
     • Sanfte Ausleitung von überschüssigem Feuer
     • Erdung, Ausgleich, innere Klärung

  5. Savasana mit Herzfokus
     • Eine Hand auf Herz, eine auf Bauch
     • Spüre den Raum in dir – ohne etwas tun zu müssen

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Mein Weg zur Yogalehrerin